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Sollte ich an einer klinischen Studie teilnehmen?

Sollte ich an einer klinischen Studie teilnehmen?

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Sollte ich an einer klinischen Studie teilnehmen?
Sollte ich an einer klinischen Studie teilnehmen?
Diana Neumann
13.5.2022

Für den Fortschritt oder Versuchskaninchen?

Eventuell erfüllt dein Brustkrebs Kriterien, um an einer Studie teilzunehmen. Studien, um den Fortschritt in der Medizin voranzutreiben und die Brustkrebs Therapie wirksamer zu machen.

Bei Brustkrebs wird viel im Rahmen der medikamentösen Behandlung geforscht. Das schließt Chemotherapie, Anti-Hormon-Therapie, Antikörper Therapie, Immuntherapie oder auch Bestrahlung ein.

Wir wissen ja, dass jeder Brustkrebs anders ist und seine ganz eigene Beschaffenheit hat. Deshalb gibt es inzwischen viele zielgerichtete Therapien, die auf die Tumorart maßgeschneidert sind. So wird nicht nach dem Gießkannenprinzip behandelt, sondern zielgerichtet auf den Tumor abgestimmt. Das bringt bessere und verträglichere Behandlungen mit sich.

Vielleicht wirst du in der Klinik von einer Studienschwester oder der Ärztin selber angesprochen, dass dein Tumor alle Kriterien erfüllt, um an einer bestimmten Studie teilzunehmen, und ob du Interesse hättest, daran teilzunehmen.

Falls du jetzt denkst, äh, ich bin doch kein Versuchskaninchen und lass mich mit unerforschter Medizin vollpumpen, dann stopp mal. Lass uns nachdenken.
Erstmal: du bist kein Versuchskaninchen.

Für klinische Studien gibt es in Deutschland ganz klare rechtliche Regelungen. Alle in Deutschland durchgeführten Studien müssen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zugelassen werden. Beide Behörden unterstehen dem Bundesgesundheitsministerium.

Die Medikamente, die verabreicht werden, müssen sich bereits im Labor und in Tierversuchen (ja,  leider) bewährt haben. Natürlich kann keiner ausschließen, dass sich nicht doch Nebenwirkungen bemerkbar machen. Ein Restrisiko bleibt immer.
Aber eben deshalb erfährt man als Patientin eine besondere engmaschige und intensive Betreuung durch die behandelnde Ärztin. Die Ärztin überwacht den Verlauf und untersucht dich intensiv. Falls die Nebenwirkungen bei dir gravierend sein sollten, wird die Ärztin deine Teilnahme an der Studie beenden. Außerdem hast du zu jedem Zeitpunkt selbst die Möglichkeit, die Studie abzubrechen.

Damit Studien überhaupt aussagekräftig sind, muss es eine vergleichende Studie sein. Das bedeutet, es gibt meist zwei Gruppen. Die eine Gruppe erhält das neue Medikament, die andere Gruppe erhält entweder ein Scheinmedikament oder ein bereits bewährtes Medikament. In der Brustkrebstherapie würde man natürlich auf keinen Fall ein Scheinmedikament bekommen, das ist viel zu riskant und ethisch nicht vertretbar. Also wird ein bewährtes Medikament verabreicht.

Die Einteilung in die Gruppen oder auch „Arm“ genannt erfolgt nach dem Zufallsprinzip, man sagt dazu auch randomisiert. So lassen sich die Ergebnisse nach Beendigung der Studie gut vergleichen und es kann daraus geschlossen werden, ob sich die neue Behandlungsmethode bewährt, Vorteile für die Patientin bringt und überhaupt sicher ist.

Irgendjemand muss es tun. So ist das einfach, wenn man medizinischen Fortschritt möchte. Anders lässt sich das nicht herausfinden. Man muss wissen, wie Medikamente auf Menschen wirken. Auf eine reine in vitro Untersuchung, also im Reagenzglas, kann man sich allein nicht stützen. Es braucht eine in vivo, also am lebenden Menschen, Untersuchung.

Als Studienteilnehmerin trägst du also erheblich dazu bei, dass es diesen medizinischen Fortschritt gibt und dass womöglich viele andere Patientinnen zukünftig von der neuen Behandlung profitieren werden.

Ganz wichtig ist, dass die Ärztin dich vor Beginn der Studie umfassend aufklärt. Sie muss dir, wie bei anderen Behandlungen auch, ganz genau die Risiken und den möglichen Nutzen der Behandlung bzw. Studie aufzeigen. Du musst explizit deine schriftliche Einwilligung geben.

Alle in Deutschland laufenden Studien sind im Deutschen Register Klinischer Studien(DRKS) erfasst. Hier gibt es bereits Daten zu über 13.000 Studien. Diese müssen öffentlich zugänglich sein.

Für die Berliner Charité kann man hier einsehen, welche Studien aktuell laufen. Für andere Kliniken gibt es das natürlich auch.

Wenn dich die Teilnahme an einer Studie interessiert, kannst du auch aktiv nachfragen, ob du für eine Studie in Frage kämest.

Hier nochmal die Vor- und Nachteile einer Teilnahme an einer Studie:

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Meine Erfahrung
Nun kann ich auch noch etwas aus dem Nähkästchen plaudern. Ich habe im Rahmen meiner Chemotherapie auch an einer Studie teilgenommen.

Das war die GAIN II Studie, bei der eine intensivierte dosisdichte Therapie mit einer adaptierten dosisdichten Therapie bei Patientinnen mit einem frühen Hochrisiko-Brustkrebs verglichen wurde.

Bei der Vorbereitung meiner Chemotherapie hat mich die Studienschwester angesprochen und mir erklärt, dass mein Tumor prädestiniert sei, um an der GAIN II Studie teilzunehmen. Sie erklärte mir die Basics und fragte mich, ob ich daran Interesse hätte.

Die Studienschwester oder auch Study Nurse genannt, ist die Schnittstelle zwischen dir als Studienteilnehmerin und der Prüfärztin. Sie hat überwiegend administrative Aufgaben, führt die Studie durch und betreut dich intensiv während der Studie. Bei Fragen, Problemen oder Unsicherheiten kannst du sie jederzeit ansprechen.

Natürlich gibt es dann auch noch mit der Ärztin ein umfassendes Gespräch. Aber an das erinnere ich mich im Nachhinein gar nicht. Mir ist eher die Studienschwester präsenter, weil ich mit ihr ständig in Kontakt war.

Für mich gab es ein unschlagbares Argument, an dieser Studie teilzunehmen: statt der üblichen 6 Monate Chemotherapie, würde meine Chemotherapie „nur“ 4 Monate dauern.

Ich dachte, wenn ich schon so einen Mist mitmachen muss, dann Augen zu und schnell durch. Außerdem wäre ich dann Weihnachten 2013 mit der Chemo fertig. Das fand ich einen guten und vor allem überschaubaren Zeitpunkt.

Ich willigte ein. Ich kam durch die Zufallsauswahl in den „zweiten Arm“. Meine Chemo würde nun alle 2 Wochen stattfinden: 4 x Epirubicin mit Cyclophosphamid - dann drei Wochen Pause (sonst immer zwei Wochen) - und dann nochmal alle zwei Wochen 4 x Docetaxel.

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Es wurde mir unendlich viel Blut abgenommen, diverse Blut-Parameter mussten überprüft werden und ein Schwangerschaftstest musste ebenfalls gemacht werden.

Im September ging es dann los. Ich vertrug die Chemo an sich gut, wenn man überhaupt von „gut“ sprechen kann. Aber ja, es war akzeptabel und ich hatte nicht den Eindruck, dass es mir schlechter oder sehr viel anders erging als meinen Mitstreiterinnen, die an keiner Studie teilnahmen.

Ich musste wöchentlich gemeinsam mit der Studienschwester Fragebögen zu meinem Befinden ausfüllen. Darin waren zum Beispiel Fragen zum aktuellen Gewicht, Hitzewallungen (ob ja und wie häufig), Herzprobleme, Atemprobleme, Übelkeit, Allgemeinbefinden und wahrscheinlich einiges mehr.

Wenn ich ein Problem oder eine Frage hatte, konnte ich jederzeit vorbeikommen oder anrufen. Ich wurde jedes mal zur Ärztin durchgestellt, die sich die Zeit nahm, mein Problem oder meine Frage mit mir zu besprechen.

Ich fühlte mich sehr gut betreut. Die Ärztin und die Studienschwester hatten immer ein offenes Ohr für mich.

Nach vier Monaten war ich dann mit meiner Chemo und der Studie durch.

Heute noch, nach fast 9 Jahren nach meiner Diagnose, bekomme ich einmal im Jahr einen Fragebogen der GBG (German Breast Group), die die GAIN II Studie durchführt. In diesem Fragebogen wird gefragt, ob ich noch lebe, ob es ein Rezidiv oder Metastasen gab und ob ich Beschwerden hätte.

Diesen Fragebogen kann ich zum Glück immer schnell abarbeiten und im Freiumschlag wieder zurückschicken.

Nach so vielen Jahren frage ich mich manchmal, was wohl die Studie im Ergebnis gebracht hat. Hat sich die dosisdichte Chemotherapie bewährt? Bietet sie bessere oder längere Überlebensraten? Oder hat sie gar nichts gebracht?

Das hat mir bisher keiner mitgeteilt. Nach Beendigung der Chemo hatte ich keinen Kontakt mehr zur Studienschwester oder zur Ärztin. Auch mein jetziger Onkologe hat mir keine Infos zum Ergebnis der Studie gegeben, ich habe ihn dazu aber auch gar nicht befragt.

Die eigentliche Frage hier lautet aber: will ich das wissen?

Was, wenn das Studienergebnis nicht so gut war? Was, wenn es bei den Studienteilnehmerinnen viele Rezidive oder Metastasen gab? Will ich das so genau wissen? Würde es mich nicht runterziehen? Würde ich dann nicht denken, mir wird es ebenso ergehen?

Ich habe für mich entschieden, die Sache ruhen zu lassen und nicht aktiv nachzufragen. Bei mir ist alles gut so wie es ist.

Wie immer mit solchen Ergebnissen, sollte man sich vorher überlegen, ob einem das Wissen darüber etwas bringt oder nicht oder sogar eher verängstigt.

Dennoch habe ich es nie bereut und kann persönlich nur empfehlen, an einer Studie teilzunehmen. Ich fühlte mich sehr gut betreut und zu keiner Zeit gesundheitlich gefährdet.

Ich hoffe, ich konnte meinen Beitrag zur Brustkrebsbehandlung leisten.

Vorankündigung
Zum Thema Studien werde ich demnächst mit Antje sprechen. Sie nimmt an der Studie „ADAPTlate“ (Medikament hier Abemaciclib) teil. Mit dieser Studie wird erforscht, ob eine Erweiterung der Antihormontherapie unter bereits laufender Therapie  (Chemotherapie und/oder Operation) bei Frauen mit einem im Frühstadium behandelten hormonabhängigen Brustkrebs (Hormonrezeptor positiv; HER2-negativ), das Risiko eines Rezidivs bzw. einer Metastasierung vermindern kann.

In der ADAPTlate Studie wird also die Kombination einer Antihormontherapie mit einem sogenannten CDK 4/6-Hemmer (Medikamente: Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib) untersucht.

Antje wird erzählen,

  • wie sie zu der Studie gekommen ist.
  • was sie bewogen hat, an der Studie teilzunehmen.
  • was sie genau machen muss.
  • wie ihre Teilnahme an der Studie abläuft und wie lange.
  • wie es ihr mit der Einnahme des Medikaments ergeht - körperlich und auch mental.
  • und einiges mehr.


​Also, bleib dran!

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Diana Neumann
13.5.2022